Einen Monat ohne.

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Feierabend! Der Heimweg führt mich täglich vorbei an den schicken Läden des Hanse-Viertels, der Poststraße und des Jungfernstiegs. Nach aufreibenden Arbeitstagen wird daraus schon ´mal ein Bummel: Auf andere Gedanken kommen, sich anregen lassen, verführen, belohnen – Sie wissen schon. Aber gut ist das nicht. Ich schleppe auf diese Weise mehr Bekleidung nach Hause, als ich brauche. Und das kostet. (Übrigens: Schnäppchen auch.)

Mein Kleiderschrank ist gut gefüllt, um nicht zu sagen: voll. Passt gar nichts mehr hinein. Ein Luxusproblem. Nun meint nicht nur Franziska von https://www.otto.de/reblog/7-tipps-fuer-einen-nachhaltigen-kleiderschrank-4131/ , ich solle ausmisten. Das hilft temporär ganz sicher. Aber eigentlich muss es doch auch hier darum gehen, weniger einzukaufen statt mehr wegzugeben, deshalb habe ich mir einen Juni ohne Shopping vorgenommen. Nur das anziehen, was der Schrank hergibt, altes wiederentdecken, neu kombinieren. Das geht. Macht sogar Spaß!

Ich glaube, Tom Ford hat gesagt, er möchte sich morgens eine Hose und einen Pulli aus dem Schrank ziehen – und gut. Für mich darf es gern etwas mehr Aufwand sein, ich (ver-)kleide mich mit Vergnügen, nach Lust und Laune, für jeden Anlass, jedes Wetter. Und ich mag Mode. Sollte ich meine tägliche Wahl jedoch für eine Leistung halten, die ich öffentlich dokumentieren müsste? Nö. Gibt es wirklich Frauen, die ohne solche (Vor-)Bilder nicht wüssten, was sie anziehen sollten? Nö. Brauchen wir eigentlich noch mehr Werbung für Bekleidung? Nö. Aber bitte: Jedem das Seine.

Noch 14 Tage ohne bunte Einkaufstüte nach Hause. (Im Stillen wird notiert, wo ich welche Teilchen dann im Juli abholen werde. Denn ein guter Grund findet sich immer. Wusste schon Teufels Großmutter.)

Let´s talk about Müll.

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Wäre ich ein ganz dicker Brummer, so einer mit schillerndem Leib und haarigen Beinen, dann würde ich gern in meinem Vorgarten wohnen. Auf jedem grün bewachsenen Flecken rund um´s Haus gibt es lecker Hundekacke und vor jeder Haustür allerfeinste Mülltonnen. Gourmet-Fliegen wissen, dass Menschen zum Lüften neigen und können so – der Duftspur aus den Küchen folgend – auch das eine oder andere Schnäppchen vor Ort machen: Wer nascht nicht gern vom frischen Erdbeerkuchen…

So als Fliege kann man also nicht recht nachvollziehen, warum ich die städtischen Müllbemühungen verfluche. Die dazu geführt haben, dass vor jedem Mietshaus nicht nur der obligatorische große, in Waschbeton versteckte Müllcontainer steht, sondern nun auch zwei Plastiktonnen für Altpapier, dazu eine für Bioabfälle und eine für den gelben Punkt. Und weil wir doch alle brav Müll vermeiden sollen und die vier Extra-Tonnen nicht zum Spaß da herumstehen, wurde aus der großen Container-Tonne inzwischen eine kleine Container-Tonne (hier: Beifall der Schmeißfliegen).

Nun muss ich vielleicht noch erwähnen, dass meine lieben Nachbarn mit mir unter einem Dach wohnen. Heißt: Wenn wir all das tun, was ein aufgeklärter Müllbürger heute tun sollte, müsste das freiwillig und aus innerer Überzeugung geschehen, denn ein finanzieller Vorteil  ist damit nicht verbunden.

Und so lagern viele Nachbarn ihren Müll im Treppenhaus zwischen (hier: zufriedenes Gebrumm expeditionsfreudiger Fliegen) und tragen ihn dann vor das Haus. Trennen? Quatsch, wird ja eh alles wieder zusammengerührt und verbrannt. Liest man doch immer wieder. Oh, leider ist der Container schon wieder voll. Macht nix: Stellen wir die offene Tüte doch einfach DAVOR ab. Es ist eh schwer genug, den WINZIGEN Behälter zu treffen. Die Müllabfuhr wird es schon richten. Und wofür diese Biotonne wohl da ist? Werfen wir doch einfach Essenreste und vergammelte Lebensmittel hinein. Oder besser – daneben. (Die Fliegen summen Sauflieder.)

Ich knalle mein Küchenfenster zu. (Hatte ich schon geschrieben, dass ich Parterre wohne? Mir stinkt‘ s.)

Das Gürteltier.

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In diesem Geschäft am Gänsemarkt, im Souterrain, ja, genau da habe ich ihn entdeckt: einen dunkelblauen, herrlich geschmeidigen Ledergürtel, dicht besetzt mit glänzenden Nieten und glitzernden Krampen! Ein zeitmaschinengeschleudertes Exemplar wie aus den achtziger Jahren, im Gegensatz zu früher sogar bezahlbar. Muss ich haben!

Gewissensglöckchen gehört. Mühsam die Finger wieder eingeklappt, gewendet, Laden verlassen. Meine innere Alarmanlage fordert unbarmherzig Reflektion: Brauche ich wirklich noch einen Gürtel? Wenn ja, brauche ich diesen? Will ich wirklich noch totes Tier um die Hüfte tragen? Was habe ich über die Herstellung und das Färben von Leder gelesen, über den immensen Wasserverbrauch, über Verätzungen der Atemwege, über verseuchte Flüsse? Sind die Nieten aus Metall? Steht im Internet etwas über den Produktionsprozess, über den Rohstoff, seine Gewinnung, die Ausbeutung von Böden und Menschen? Und wer hat die Nieten und Krampen angebracht? Das riecht doch nach Kinderarbeit! Last but not least: Wem gehört eigentlich der Laden, in dem ich den Gürtel gesehen habe? Haben sich die Betreiber Werten wie Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Fairness verpflichtet?

Rumpflmumpf. Was, wenn ich diesen Gürtel trotzdem haben will?

Ein Bär und eine Bluse.

Dieser Beitrag wollte sich nicht schreiben lassen. Er sperrte sich und wollte nicht in die Tasten. Weil es eben nicht mehr so einfach ist, eine weiße Bluse zu kaufen. Wo ich sonst samstags shoppen ging, bedarf es nun als Umdenk-Bloggerin einer konsumkritischen Vorbereitung. Die Bloggerin flucht und fügt sich, nicht ohne ihre Leserinnen und Leser um Nachsicht  für die folgende Liste dessen zu bitten, was bei der Beschaffung zu bedenken wäre – in alphabetischer Reihenfolge :

Armlänge, Befestigung (bzw. Entfernbarkeit) der Produktinformation und des Labels, Bio-/Öko-Siegel, Corporate Identity, Design, Detox, Fairtrade, Farbton, Fashionfaktor, Fusselbildung, Garantie, Gefälligkeit, Geschmeidigkeit, Gewicht, Image, Klimaneutralität, Knitterneigung, Knopflochgängigkeit, Konfektionsgröße, Material, Modelügen, Nachhaltigkeit, Passform, Pflegebedarf, Preis, Qualität, Recyclingmöglichkeit,  Style, Tragegefühl, Umtauschmöglichkeit, Umweltverträglichkeit, Verarbeitung, Verfügbarkeit, Werbung, Wiederverkaufschance.

Wenn man nicht aufpasst, gibt man sein Geld bösen Firmen. Kauft man Schund oder die falsche Marke. Ruiniert man seine Credibility oder sein Konto oder ein inhabergeführtes Familienunternehmen oder die Weltmeere. Produziert Wohlstandsmüll oder ein Trugbild seiner Persönlichkeit. Gibt kein Statement oder eine traurige Figur ab. Gipfelt in Geschmacklosigkeit.

Der Beitrag wischt sich den Schweiß von der Stirn und versucht nicht mehr an den Bericht einer Fashionbloggerin zu denken, die sich ganz spontan – nach langem Überlegen – für eine lässige Kombi aus Blue Jeans und weißer Bluse entschieden hat,  um sich 5 Minuten allein auf dem Balkon bei einem Himbeer-Soja-Cappuccino mit Pistazientopping zu „entspannen“. Und ihrer „Hallo-meine-Lieben“-Leserin dringend zu empfehlen, lieber etwas mehr auszugeben für zeitlose Qualität. So, als wäre das gute Stück im nächsten Jahr nicht auch Last Season. Als wenn es ewig passen würde (mir, zu meinen Vorlieben, zum neuen Job). So, als wenn man nie wieder eine andere Bluse bräuchte, weil man viel zuviel für das blöde Ding ausgegeben hat, um es einfach wegzugeben.

Der Bär und der Beitrag schauen sich ratlos an. Der Bluse ist es vollkommen egal, wie und von wem sie produziert wurde. Die Bloggerin ist genervt und möchte sich in Zukunft jedenfalls keine Pelztiere mehr aufbinden lassen. Der Beitrag will jetzt unbedingt die Worte „Vertrauen“, „Werbung“ und  „Manipulation“ schreiben, der Bär gähnt und denkt sich ein neues Logo für ein Gütesiegel aus. Und ich geh jetzt klickshoppen. Einfach so.

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(PS, eine Woche später und noch ungebügelt: gefunden auf otto.de)

Verzettelt.

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Morgen bin ich eingeladen zum Geburtstagskaffee bei einer ehemaligen Nachbarin. Sie ist eine wahre Recycling-Spezialistin, allerdings weniger aus politischen Gründen, sondern schlicht aus Geiz. Sie hat es damit -als einzige aus unserem Kreis- zu einem eigenen Haus gebracht, belegt so auch den wirtschaftlichen Vorteil der Wiederverwertung von Rohstoffen nachdrücklich. Sie kauft abgelaufene Lebensmittel, plündert die Mülltonnen am Rande der Flohmärkte („Was die alles wegwerfen!“), spricht die Leute auf dem Recycling-Hof an, wenn sie etwas Bestimmtes braucht: technische Geräte, Möbel, Fahrräder – gibt es alles umsonst. Aus dem Freundeskreis bekommt sie abgelegte Kleidung, Bücher, CD´s. Was sie nicht braucht, gibt sie weiter oder ebay. Ach ja, nötig hatte sie es nie.

Zum Geschenk. Dieses Jahr habe ich mich anregen lassen von Vera vom re:blog (https://www.otto.de/reblog/notizbuecher-aus-altpapier-2707/), die Notizbücher bastelt. Habe mir die Werbeilagen vom Wochenende geschnappt und losgeschnippelt, statt sie – wie sonst – einfach wegzuwerfen. Ein Deckblatt getuscht, dann ab in den Copy-Shop eines Bekannten, der hat´s an einer Seite verleimt, fertig. Die liebe Eike bekommt nun (außer einer Tüte mit Klamotten, die mir zu eng sind) einen selbstgebastelten Hast-mal-´n-Zettel-Block aus Altpapier. Wird sie mögen. Ich übrigens auch: Das kleine Ding ist perfekt für die Handtasche und das Handschuhfach im Auto. Schluss mit zerrupften Rechnungen, Schreiben, Quittungen, die man auf die Schnelle – Sie wissen schon. Weil man NIE ein Stück Papier griffbereit hat, wenn man´s braucht. (Denken Sie nur an den Klassiker – eine Windschutzscheibennachricht. Das kann kein Handy :-))

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Über Schotty und meine Fangzähne.

Den Schotty kennt man natürlich. Aus dem Fernsehen. Und wer ihn noch nicht kennt, dem sei „Der Tatortreiniger“ ans Fernbedienungsherz gelegt, eine Grimme-Preis-gekrönte Serie des NDR. Eine der besten Folgen zeigt seine Begegnung mit einer Verganerin, und der Moment, als ihn danach die Bärchenwurst auf seinem Brötchen angrinst, bleibt mir unvergessen.

Ich muss ein kleines Kind gewesen sein, zu Besuch auf dem Land bei meinen Großeltern. „Heute kannst Du mal sehen, wie Omawurst gemacht wird.“ sagte mein Vater. Omawurst war eine Art Leberwurst mit Stücken, gab es jeden Abend zu Hause aufs Brot, köstlich. Alle Tanten und Onkel waren da, fröhlich und voller Erwartung. Ohne dass ich mich noch an Details erinnern kann, darf ich doch verraten, dass ich seitdem nie wieder Leberwurst  gegessen habe. Es spricht allerdings nicht für meine Intelligenz, dass ich sonst (bis auf Gemüse natürlich) alles gegessen habe, was zu Hause auf den Tisch kam: Meine Eltern haben da sehr geschickt agiert. Erst viel später kapierte ich, dass Schnitzel, Frikadellen und Co. nichts anderes als Omawurst waren. Lange vegetarische Phasen folgten, und immer wieder Rückfälle (Mutters Rindfleischrouladen, Hühnchenbrust vom Grill, Cevapcici), Scham und Appetit. Es gab den Beschluss, nicht nur das zarte Muskelfleisch, sondern – wenn schon, denn schon – alles, was ein totes Tier hergibt, zu essen. Das bewirkte übrigens exakt das Gegenteil: Schon der Gedanke an Haut, Fett und Innereien löst Kotzreiz aus. Der Gedanke an Kartoffelsalat mit Würstchen – leider nicht.

Als ich Mama wurde, war klar: Wenn es nötig wäre, Tiere zu fangen und zu töten, würde ich es tun. Und das begründet für mich letztlich die Entscheidung, überhaupt Fleisch zu fressen.

Der liebe Schotty auch. Wir haben dennoch beide sehr gute Gründe, weniger Wurst zu essen. Meine kennt Ihr. Seine könntet Ihr Euch gelegentlich ansehen :-).